NS-Gesetze und Deportationsdaten

Die im Oktober 1941 einsetzenden Deportationen der in Berlin lebenden jüdischen Bevölkerung standen am Ende einer mehrjährigen Entwicklung, in deren Verlauf die Berliner Jüd*innen und Juden immer wieder stigmatisiert und entrechtet worden waren. Allein zwischen 1933 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 wurden in Deutschland ca. 1450 antijüdische Verordnungen erlassen.

„Die Deutsche Reichsbahn behandelte die Deportationen von Jüdinnen und Juden als normales Geschäft des Personenverkehrs, Kunde war die SS, die das Fahrgeld unter anderem von den Deportierten erhob (bzw. aus deren eingezogenen Vermögen) und der ab 400 Personen ein großzügiger Rabatt gewährt wurde. Die Deportationszüge verkehrten fahrplanmäßig als Sonderzüge (nach Fahrplananordnung), als Folge der starken Streckenbelastungen zum Teil im Plan von Regelzügen (Güterzugpläne). Eine Geheimhaltung bestand nicht, dennoch wurden von der federführend zuständigen ,,Generaldirektion der Ostbahnen“ […] mit dem Vordringen der Truppen der UdSSR gegen Ende des Zweiten Weltkrieges so gut wie alle Unterlagen verbrannt. […] Als Transportmittel wurden anfangs Personenwagen, später aber Güterwagen benutzt, bei einigen Transporten musste auf Zwischenbahnhöfen von Personenwagen auf Güterwagen umgestiegen werden. Den Zügen wurden in der Regel zwei Personenwagen für die Wachmannschaft beigestellt. Die Entscheidung für eine der beiden Wagengattungen hatte aber zum Teil technische Gründe, denn Transporte z.B. nach Theresienstadt sind in der Regel mit D-Zugwagen durchgeführt worden, da sie den planmäßigen D-Zügen angehängt worden sind. Güterwagen hätten aufgrund ihrer weitaus niedrigeren zulässigen Höchstgeschwindigkeit die D-Züge verlangsamt.“

  • Szagun, Andreas: Deportationsgleise auf dem Güterbahnhof Moabit. Gutachten im Auftrag des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, März 2016, S. 9.

Gesetzliche Maßnahmen, Ereignisse
Jahr
Datum
Personenzahl
(höhere Schätzung)
Zielort
1941
19. September: Die „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1.9.1941 tritt in Kraft. Sie schreibt allen Menschen, die von der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz (vgl. RGBl I 1935, S. 1333f) als jüdisch definiert werden, das Tragen des „Judensterns“ vor. Die Kennzeichnungspflicht von Juden im Deutschen Reich wird als Übergang zur letzten Stufe der Verfolgung, zu den Deportationen in die Ghettos und Vernichtungslager angesehen.

23. Oktober: Generelles Ausreiseverbot für alle in Deutschland lebenden Juden.
1942
20. Januar: „Wannsee-Konferenz“ zur Koordinierung der Maßnahmen zur Vernichtung der europäischen Juden sowie zur Einbeziehung von in „Mischehe“ lebenden Juden und jüdischen „Mischlingen“ in die Vernichtungsaktionen.

Ab Juni wurde parallel zur ehem. Synagoge Levetzowstraße das Altenheim Große Hamburger Straße zum Sammellager ausgebaut.

2. Oktoberhälfte: Die Gestapo selektiert Mitarbeiter und Helfer der jüdischen Gemeinde. Sie werden mit dem sogenannten Gemeindetransport am 26. Oktober 1942 nach Riga deportiert, 20 können vorher flüchten.

Oktober 1942 – Januar 1943: Alois Brunner wird Organisationsleiter des Eichmann-Referats in Berlin. Umorganisierung der Transporte und Ausbau der Großen Hamburger Straße zum zentralen Sammellager in Berlin. Radikalisierung der nationalsozialistischen Politik gegenüber den Juden in Berlin u. a. durch Verschärfung der „Abholungs-Praxis“.

November 1942 – Ende Februar 1943: Die Große Hamburger Straße ist alleiniges Sammellager für die Transporte „in den Osten“ und löst in dieser Funktion die Levetzowstraße ab.
*28. März
02. April
14. April
13. Juni
*24. oder 26. Juni
11. Juli
15. August
17. August
05. September
14. September
24. oder 26. September
03. Oktober
19. Oktober
26. Oktober
29. November
09. November
14. Dezember
985
984 (1025)
835 (1000)
748 (1030)
202
192
938 (1004)
997
796
1000
1049
1021
959
798
998
994
815
Piaski
Warschau
Warschau
Sobibór
Minsk
Warschau o. Auschwitz
Riga
Theresienstadt
Riga
Theresienstadt
Raasiku
Theresienstadt
Riga
Riga
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
1943
20. Februar: Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unter Reinhard Heydrich veröffentlicht Anweisungen zur „technischen Durchführung der Evakuierung von Juden nach Osten“.

Ab 27. Februar: „Fabrikaktion“ -> Groß-Razzia in weit mehr als 100 Berliner Firmen (in Wohnungen und auf offener Straße) -> Verhaftungen und Deportation der jüdischen Rüstungsarbeiter (Zwangsarbeiter) aus Berlin nach Auschwitz. Binnen weniger Tage wurden mehrere Tausend Menschen an ihren Zwangsarbeitsstätten abgeholt und mit den „Osttransporten“ nach Auschwitz deportiert.

25. April: 12. Verordnung zum Reichsbürgergesetz; womit Juden die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen wird.

10. Juni: Auflösung der jüdischen Gemeinde in Berlin
12. Januar
29. Januar
03. Januar
19. Februar
26. Februar
01. März
02. März
03. März
04. März
06. März
12. März
17. März
19. April
17. Mai
28. Mai
16. Juni
1196
1004
952
997
913 (1095)
1722
1756
1726
1120
665 (721)
941
1285 (1342)
681
406
327
428 (430)
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Auschwitz
Theresienstadt
Auschwitz
Auschwitz
Theresienstadt
Theresienstadt
1944
6. Juni: Landung der Alliierten in der Normandie

1. Oktoberwoche: zweite sogenannte „Fabrikaktion“ im ganzen Reichsgebiet. Auf Befehl Himmlers sollen „Mischlinge 1. Grades und jüdisch Versippte“ aus Industriebetrieben entfernt und nur noch mit manuellen Tätigkeiten zwangsbeschäftigt werden.
10. Januar
352
Theresienstadt
1945
8. Mai: bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches vor den Alliierten
 

Transportliste: 19. Osttransport mit 801 gelisteten Personen nach Riga, 5. September 1942. Der sogenannte 19. Osttransport verließ den Güterbahnhof Berlin-Moabit entgegen der ursprünglichen Planung nicht am 31. August 1942, sondern am 5. September 1942 – vermutlich mit Personenwaggons – in Richtung Riga.